Das Gymnasium der Regensburger Domspatzen feiert in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen.  Seit 75 Jahren erhalten die berühmten Chorknaben aus Bayern neben der chorischen auch eine gymnasiale Ausbildung mit einem zumindest in Deutschland einzigartigem Konzept der Verschmelzung von Schule und Chor. Viele Gäste aus Kirche, Kultur, Politik und Gesellschaft sind kürzlich zum Festakt gekommen, um dieses Jubiläum zu feiern. Professor Dr. Ulrich Konrad von der Universität Würzburg, einer der renommiertesten Musikwissenschaftler unserer Zeit, hielt den Festvortrag „Von der Macht der Musik“. 

Mit Schreiben vom 12. Januar 1948 hat das Kultusministerium die Genehmigung zur Errichtung eines Gymnasiums erteilt, das zunächst den Namen „Domgymnasium“ führte. Heute, 75 Jahre später, ist das Gymnasium der Regensburger Domspatzen mit seinem besonderen Profil der sängerischen Exzellenzförderung in Trägerschaft der gleichnamigen Stiftung aus der bayerischen Schullandschaft nicht mehr wegzudenken. Gerade die vergangenen 25 Jahre waren bewegte Jahre, mit Höhen und Tiefen, Veränderungen und Innovationen. 

Festredner und Domspatzen-Verantwortliche (v.l.n.r.): Christian Gröninger, stellvertretender Schulleiter, Astrid Barbeau, Professor Ulrich Konrad, Christine Lohse, Dompropst Dr. Franz Frühmorgen, Christian Heiß, Dr. Astrid Freudenstein und Dr. Clemens Prokop, Vorsitzender des Domchorvereins. (Foto: Michael Vogl)

Schulleiterin Christine Lohse sprach in ihrer Begrüßung  von einem „einzigartigen Konzept der Verschmelzung von Schule und Chor, um das uns viele Knaben- und Domchöre beneiden und welches auch die Grundlage für die besondere musikalische Exzellenz unserer singenden Schüler, der Regensburger Domspatzen, ist.“ Lohse ist seit 2019 Leiterin des Gymnasiums. Nach der Generalsanierung der bestehenden Internats- und Schulgebäude und des Neubaus des Gymnasiums von 2010 bis 2018 durfte sie sich „in ein gemachtes Nest setzen“. Dafür sei sie ihren Vorgängern sehr dankbar. Gerade die letzten 25 Jahre, die Zeit seit dem letzten Jubiläum, seien bewegte und bewegende Jahre gewesen, so Lohse. Die Generalsanierung des Campus, die Einführung des naturwissenschaftlich-technologischen Zweigs und die ehrliche Aufarbeitung des Missbrauchsskandals waren drei große Herausforderungen, die ihr Vorgänger Berthold Wahl zusammen mit den damaligen Kollegen im Stiftungsvorstand zu meistern hatte. Nur aus Erzählungen könne sie ermessen, „welche Belastungen die Schulfamilie in diesen Jahren durchgestanden hat. „Gott sei Dank mit gutem Ausgang, soweit man das bei diesem Thema sagen kann, durch die vorbildliche Aufarbeitung von Bischof Voderholzer und dem versöhnlichen Umgang mit den Opfern“, sagte Lohse. Aus dieser dunklen Seite in der Geschichte der Domspatzen ergebe sich für die Schulleiterin diese besondere Verantwortung und Fürsorge für das „Wohl der uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen in diesem Haus.“ 

Schulleiterin Christine Lohse blickte in ihrer Ansprache besonders auf die vergangenen 25 Jahre zurück. (Foto: Michael Vogl)

Doch auch in der bisher vierjährigen Amtszeit von Christine Lohse gab es prägende Ereignisse. Erst kurz im Amt, sah sich die neue Schulleiterin zusammen mit ihrem Team einer bis dahin ungekannten Bedrohung ausgesetzt: die Corona-Pandemie. „Wir mussten schnell zu Pandemie-Krisen-Experten werden“, sagte sie. Eine singende Institution war gemäß der Epidemiologen „des Teufels“ und stellte die singenden Buben und ihre Chorleiter von heute auf morgen auf Null. Wenn man diesen Pandemie-Jahren überhaupt etwas Positives abgewinnen möchte, dann nur die Tatsache, dass die Schule seither digital bestens aufgestellt sei. Der prägendste Aspekt der letzten Jahre war sicherlich die Entscheidung, sich vom kränkelnden, nicht mehr zeitgemäßen Profil der reinen Bubenschule zu verabschieden und Mädchen aufzunehmen. „Seit einem Jahr singen, leben und lernen die Domspatzen nun zusammen mit den Mädchen, üben sich in Galanterie, schließen Freundschaften, staunen gelegentlich über weibliche Befindlichkeiten, und teilen mit ihnen den Schulalltag und die gemeinsame Leidenschaft für das Singen“, so Christine Lohse.  

Die Schulleiterin dankte stellvertretend für die gesamte Domspatzen-Familie allen Finanzierern dieses Gymnasiums: der katholischen Kirche, dem Freistaat Bayern, dem Verein der Freunde des Domchors und allen voran den Eltern und allen Spendern. Dieses Gymnasium weise zusätzlich zum üblichen, vielseitigen bayerischen Fächerkanon das in Deutschland einzigartige Profil auf, dass ausnahmslos alle Schülerinnen und Schüler während der gesamten Schulzeit Chorsänger auf Spitzenniveau sind. Allen, also auch den naturwissenschaftlichen Schülern, werde die Möglichkeit einer hochwertigen Instrumentalausbildung angeboten. 

Christine Lohse mit Astrid Barbeau vom Bayerischen Kultusministerium und Dompropst Dr. Franz Frühmorgen im Gespräch.

Dompropst Dr. Franz Frühmorgen pflichtet dem in seinem Grußwort an die Festversammlung bei: „Ohne das Gymnasium wären die Domspatzen nicht das, was sie heute sind! Dass alle, die zum Domchor gehören, am gleichen Gymnasium sind und dieses mit im Haus ist, hat sich als Segen erwiesen“. Auch er dankte allen, die sich in den 75 Jahren um die Schüler am Domspatzengymnasium gemüht haben und die ihnen bis heute verlässliche und hilfreiche Begleiter auf dem Weg der persönlichen Bildung und Reifung waren. Die Schule selbst sei eine Erfolgsgeschichte. Das heiße aber nicht, dass es nicht auch dunkle Kapitel im Haus gegeben habe. „Es war mühsam und richtig, diese aufzuarbeiten, und die, die mit schlimmen Erfahrungen von hier weggegangen sind, sollen an diesem Festtag heute nicht vergessen sein“, sagte Frühmorgen. Gleichwohl sei für viele die Ausbildung, die sie am Gymnasium erhalten haben, zu einem Sprungbrett ins Leben geworden. Die richtigen Weichen für eine Weiterentwicklung der Einrichtung seien gestellt. „Domspatz zu sein ist wieder attraktiv. Die Mädchen tun uns gut. Der zusätzliche Mädchenchor ist eine Bereicherung für die Domliturgie“, so der Dompropst. Persönlich und als Vorsitzender des Stiftungsrats der Regensburger Domspatzen dankte er für „ein so konstruktives, wertschätzendes und förderliches Miteinander auf allen Ebenen im Haus“. 

„Das Gymnasium der Regensburger Domspatzen zeigt mit seinem besonderen Profil auch, wie wichtig private und insbesondere kirchliche Schulträger für das bayerische Schulwesen sind“, sagte Astrid Barbeau, Ministerialrätin im Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Die Domspatzen bereicherten die Schullandschaft durch alternative pädagogische Ansätze, konfessionelle Orientierung und besondere schulische Angebote, ohne dabei mit staatlichen Schulen in Konkurrenz zu treten. Barbeau überbrachte die Glückwünsche der frisch gebackenen Kultusministerin Anna Stolz und wiederholte deren Gruß zum Abschluss der Generalsanierung vor einigen Jahren: „Die Regensburger Domspatzen sind eine Institution und ein kulturelles Aushängeschild Bayerns in der Welt.“ Regensburgs Bürgermeistern Dr. Astrid Freudenstein nahm in ihrem Grußwort diesen Faden auf und betonte, dass das Domspatzengymnasium auch ein Aushängeschild Regensburgs sei und die Schulstadt Regensburg reich mache. Hier würden neben Lehrplaninhalten ganz besonders auch Herz und Charakter gebildet, was im Übrigen ganz im Sinne der Bayerischen Verfassung sei. „Man spürt diesen besonderen Geist, wenn man dieses Haus betritt“, sagte Freudenstein. 

Dr. Astrid Freudenstein, Bürgermeisterin der Stadt Regensburg, gratulierte für die Stadt und überbrachte die Grüße der Oberbürgermeisterin. (Foto: Michael Vogl)

Professor Dr. Ulrich Konrad ließ sich gerne für die Festrede zum Jubiläum nach Regensburg einladen. Sein Vortrag hatte den Titel „Von der Macht der Musik“. Demnach sei Musik im 21. Jahrhundert so gegenwärtig wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Zumindest in den wirtschaftlich und technisch hochentwickelten Ländern unserer Erde fehlten musiklose Zonen selbst im Alltag weitgehend. Mit Musik werde Macht ausgeübt, in der Werbung, im Internet, im öffentlichen Raum, werden Tabubrüche inszeniert. Musik erfahre aber auch Entwertung, beispielsweise überall dort, wo sie zum gedankenlos wahrgenommen Konsumartikel herunterkommt oder für fragwürdige Zwecke manipulativ eingesetzt wird.

Die Kehrseite der Medaille, an der in Regensburg – nicht nur hier, aber hier in so bemerkenswerter Weise – gearbeitet werde, überglänze jedoch manchen Schatten. „Musik in der Art europäischer Tradition, das heißt als Ergebnis tausendjähriger Geschichte komponierter Kunstmusik, wie sie von den Domspatzen gepflegt wird, stand und steht für das schöpferische Vermögen menschlichen Geistes. Sie spiegelt den ständig zu Höchstleitungen getriebenen Umgang mit Tönen, Klängen und Rhythmen, ist Ausdruck eines offensichtlich unerschöpflichen Willens zum Schönen“, erläuterte Professor Konrad.

Musik könne die Welt sogar ein wenig besser machen. Er verwies angesichts der aktuellen Weltlage auf die Studierenden der Barenboim-Said-Akademie, die vor wenigen Wochen, am 23. Oktober, in Berlin ein Symphoniekonzert gaben. An dieser privaten Musikhochschule werden junge hochbegabte Musikerinnen und Musiker aus Israel, Palästina, dem Libanon, dem Iran und anderen Ländern des Nahen Ostens gemeinsam ausgebildet. „Einander feindlich gesinnte Menschen kooperieren doch in der Musik“. Nach dem Terrorereignis des 7. Oktobers und dem seither wütenden Krieg saßen an den Pulten des von Daniel Barenboim geleiteten Orchesters unmittelbar von Opfern in Familie und Freundeskreis Betroffene beider Seiten nebeneinander. Der schwer zu ertragenden Kriegslage zum Trotz sei das Ensemble aufgetreten.

Konrad zitierte aus der Erklärung der Orchestermitglieder: „Unsere Herzen sind schwer, und in Gedanken sind wir anderswo bei allen Menschen, die von der verheerenden Situation in Palästina und Israel betroffen sind. Für viele von uns ist es sehr schwierig, gerade jetzt ein Konzert zu spielen. […] Möge unsere Musik uns zusammenführen, möge sie einen kleinen Teil unserer Herzen heilen. Letztendlich können wir nichts anderes tun, als auf Frieden, Freiheit und Sicherheit für alle zu hoffen.“ Ulrich Konrad wünschte dem Gymnasium der Regensburger Domspatzen, dass es für immer eine „mit der Macht der Musik für Frieden, Freiheit und Sicherheit wirkende Einrichtung“ bleiben möge.

Die Regensburger Domspatzen gaben zum Schluss des Festakts ein kleines Kurz-Konzert unter der Leitung ihres Domkapellmeisters Christian Heiß (Foto: Michael Vogl)

Neben Reden und Grußworten war der Festakt freilich garniert mit hochwertigen künstlerischen Beiträgen. Es sangen die Regensburger Domspatzen und ein ad hoc gegründetes „Pauker-Ensemble“ unter der Leitung von Domkapellmeister Christian Heiß. Das Schulorchester spielte unter der Leitung von Christof Weighart Johann Sebastian Bachs Konzert in D-Dur für drei Soloviolinen und Orchester. Also Solisten glänzten Clara Brandscherdt (10b), Jonas Aly (7a) und Elisabeth Engelhard (10a). Schülerinnen und Schüler der Oberstufe gratulierten ihrer Schule mit einem selbst geschrieben und inszenierten kleinen Schauspiel.